Toskana mit der Vespa – Gestartet wird im Chianti (Toskana-Serie Teil 1)

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Jan-David ist der Gründer von The Connoisseur Collective.
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Zypressenalleen, flirrende Mittagshitze und das leise Knattern meiner 50er Vespa Primavera – so beginnt meine Liebesgeschichte mit der Toskana. Seit meinem ikonischen Roadtrip von Deutschland bis ins Herz Italiens bin ich immer wieder zurückgekehrt. Von sanften Hügeln über steinerne Dörfer bis zu legendären Weingütern – die Toskana ist ein Gesamtkunstwerk. Und sie schmeckt nach Wein.

Mit diesem Artikel beginnt eine dreiteilige Serie über die toskanischen Weinregionen. In Teil 1 widme ich mich dem Chianti – dem Klassiker unter Italiens Weinen. Die nächsten Teile führen uns nach Montalcino & Montepulciano und schließlich zu den legendären Supertuscans.


Chianti – Der Herzschlag der Toskana

Wenn du nur einen Wein mit der Toskana verbindest, dann ist es vermutlich Chianti. Der Name ist weltbekannt – manchmal fast zu bekannt. Denn ehrlich gesagt: Chianti hatte lange kein gutes Image. Vielleicht erinnerst du dich an die Bastflaschen auf italienischen Restauranttischen in den 90ern? Genau. Doch heute ist vieles anders.

Der moderne Chianti, vor allem aus dem Gebiet Chianti Classico, hat sich gewandelt. Zwischen Florenz und Siena, dort wo die Hügel besonders sanft und die Sonnenuntergänge besonders kitschig sind, entstehen elegante, präzise Sangiovese-Weine mit Charakter. Die besten davon haben mit dem alten Image rein gar nichts mehr zu tun.

Natürlich gibt es noch einfache Chianti für die Pizza am Dienstagabend – aber wenn du ein bisschen tiefer eintauchst, wirst du belohnt: mit Weinen, die lebendig, saftig und überraschend vielschichtig sind. Und wenn du dann noch durch die Region fährst – am besten mit der Vespa – und die Winzer selbst triffst, schmeckt der Chianti gleich nochmal besser.


Chianti verstehen – kompakt & nerdig

Hier kommen die Basics, wie ich sie meinen Freunden erklären würde:

  • Rebsorte: Sangiovese ist der Boss. Mindestens 80 % müssen es sein. Oft kommen Canaiolo, Colorino oder ein Hauch Cabernet/Merlot dazu.
  • Stilistik: Frisch, lebendig, oft rotbeerig – mit Säure und griffigem Tannin. Perfekt zu Pasta, Wild oder Pecorino.
  • Zonen & Terroir: Panzano kräftig und warm, Radda kühl und elegant, Greve charmant und weich. Jede Ecke hat ihre Handschrift.
  • Ausbau: Von Stahl über großes Holz bis Barrique – je nach Stil und Philosophie des Winzers.
  • Kategorien: Chianti Classico (Basis), Riserva (2 Jahre Reife), Gran Selezione (Toplage, eigene Trauben, mind. 30 Monate Reife).
  • Alkohol: Meist 13 bis 14,5 % – oft gut integriert.
  • Reifepotenzial: Viele Weine halten 8–10 Jahre, manche sogar deutlich länger.
  • Preise: Einstieg ab 10–12 €, richtig gute Weine ab 18–20 €, Spitzenlagen über 40 €.

Weingüter, die du besuchen solltest

Wenn du mich fragen würdest, wo du im Chianti anhalten solltest, dann wären es diese Orte – aus eigener Erfahrung:

  • Castello Vicchiomaggio (Greve in Chianti): Weingut mit Burg-Flair, gepflegten Gärten und tollem Blick. Die Touren sind strukturiert, das Tasting hochwertig – besonders spannend: der Vergleich von Barrique und klassischem Ausbau. Wer will, kann hier auch übernachten.
  • Castello di Verrazzano (ebenfalls bei Greve): Historisch, charmant, unterhaltsam. Die Führungen sind kurzweilig, das Tasting auf der Terrasse mit Blick über die Reben ein Traum.
  • Castello di Ama (Gaiole): Kunst trifft auf große Weine. Zwischen moderner Skulptur und historischem Gemäuer gibt’s hier feine, elegante Tropfen mit Seele.
  • Isole e Olena (Barberino Val d’Elsa): Der Cepparello ist ein moderner Klassiker, aber auch der Classico lohnt. Persönliche Verkostung nur mit Termin – lohnt sich.
  • Fontodi (Panzano): Biodynamisches Vorzeigegut im „Conca d’Oro“. Der Vigna del Sorbo ist ein Statement. Wer’s schafft, sollte die Kellerführung mitmachen.
  • Monte Bernardi (Panzano): Klein, bio, ehrlich. Wer auf kantigen Sangiovese steht, ist hier richtig.
  • Fèlsina (Castelnuovo Berardenga): Streng genommen nicht mehr Chianti Classico, aber der „Rancia“ ist ein Sangiovese-Monument. Sehr professionell organisiert.

Chianti erleben – auch ohne Weinglas

Was du zwischen den Verkostungen nicht verpassen solltest:

  • Greve in Chianti: Kaffee auf dem Piazza Matteotti, dann in die Enoteca Falorni zum Selbstverkosten per Karte. Samstags ist Wochenmarkt – Käse, Salami, Brot fürs Picknick.
  • Castellina: Spaziere durch die „Via delle Volte“, ein Wehrgang unter der Hauptstraße. Danach ein Glas Chianti auf der Terrasse der Bar Italia.
  • Radda: Ursprünglich und charmant. Tipp: ein Aperitivo im Palazzo Leopoldo oder Crostini bei La Bottega di Giovannino.
  • Siena & Florenz: Klassiker. In Florenz empfehle ich Oltrarno statt Uffizien-Stress. In Siena einfach auf der Piazza sitzen und Menschen beobachten. Ich persönlich finde Siena noch einen Tick authentischer.
  • San Gimignano: Ja, touristisch. Aber morgens fast leer. Und das Safran-Eis in der Gelateria Dondoli ist wirklich verdammt gut.

Mit der Vespa auf der Chiantigiana – die perfekte Route

Die SP2, auch „Chiantigiana“ genannt, ist die Traumstraße für alle Toskana-Romantiker. Sie verbindet Florenz mit Siena – und unterwegs reiht sich ein Höhepunkt an den nächsten:

Route-Tipp: Florenz – Greve – Panzano – Radda – Gaiole – Castellina – Siena

Früh starten, Helm auf, Kamera mitnehmen – und den Tag einfach auf dich wirken lassen. Anhalten, wo’s schön ist. Und das ist ziemlich oft.


Fazit & Ausblick

Chianti ist ein Klassiker, der dich überraschen wird – vorausgesetzt, du gibst ihm die Chance. Zwischen Tradition und Moderne, Landstraße und Weinglas, findest du hier echten Charakter.

In Teil 2 geht es südlich weiter – nach Montalcino & Montepulciano, zu Brunello, Vino Nobile und noch mehr toskanischer Seele.

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