Wenn du mich fragst, welche Ecke der Toskana ich als Weinliebhaber am meisten feiere, dann sind es ohne Zweifel Montalcino und Montepulciano. Sobald du in diese Landschaft einfährst, spürst du: Hier wird alles weiter, die Zypressenreihen präziser, die Luft duftet nach warmem Heu und reifen Trauben – genau der richtige Ort für große Weine, tiefe Gespräche und genussvolle Tage.
Montalcino – Der König des Sangiovese
Montalcino liegt wie eine Festung auf einem Hügel über dem Val d’Orcia. Stehst du einmal dort oben und schaust ins weite Tal, weißt du, warum hier einer der größten Weine Italiens entsteht.
Brunello di Montalcino: Kraft, Struktur und Legende
Der Brunello ist jünger, als viele denken. Erst im 19. Jahrhundert begann Ferruccio Biondi-Santi, den lokalen Sangiovese – hier „Brunello“ genannt – sortenrein auszubauen. Das war revolutionär. Jahrzehntelang blieb Brunello ein Geheimtipp, doch seit den 1960er-Jahren trat er seinen Siegeszug an. Heute ist er einer der renommiertesten Rotweine Italiens.
Brunello di Montalcino war 1980 der erste italienische Wein, der den begehrten DOCG-Status erhielt – ein Meilenstein für den Qualitätsweinbau Italiens.
Was du über Brunello wissen solltest
- Rebsorte: 100 % Sangiovese Grosso (lokal „Brunello“ genannt)
- Vorgaben: Mindestens 4 Jahre Reifezeit, davon mindestens 2 Jahre im Holzfass und 4 Monate auf der Flasche
- Freigabe: Frühestens im fünften Jahr nach der Ernte
- Alkoholgehalt: Mindestens 12,5 %
- Stil: Kräftig, strukturiert, mit Aromen von Schwarzkirsche, Leder, Unterholz und oft Tabak
- Reifepotenzial: Top-Jahrgänge entwickeln sich 20 Jahre und länger
- Preisniveau: Gute Brunelli starten bei ca. 40–50 €, Spitzenweine liegen deutlich darüber
Mein Tipp: Rosso di Montalcino
Willst du direkt genießen, ohne das Konto zu sprengen? Greif zum Rosso di Montalcino. Er ist der kleine Bruder des Brunello: mindestens 10 Monate gereift, frischer, fruchtiger und unkomplizierter – perfekt für spontane Genussmomente.
Winzer, die du nicht verpassen solltest
- Biondi-Santi – Der Klassiker. Elegant, zeitlos, faszinierend langlebig.
- Le Ragnaie – Kühle Höhenlagen, filigrane, terroirgeprägte Weine.
- Caparzo – Fair, solide, charmant.
- Casanova di Neri – Opulenz und moderne Stilistik mit großer Strahlkraft.
Genuss-Tipp: Taverna del Grappolo Blu
Wenn du Montalcino richtig erleben willst, iss in der Taverna del Grappolo Blu. Hausgemachte Pici mit Wildschweinragout und ein Glas Brunello dazu – besser geht’s nicht. Rustikal, herzlich, echt.
Montepulciano – Der charmante Bruder
Montepulciano ist anders: lebendiger, verspielter, fast barock. Und seine Weine? Weicher, zugänglicher, aber nicht weniger spannend.
Vino Nobile di Montepulciano & Rosso di Montepulciano
Hier herrscht „Prugnolo Gentile“, eine edle Variante des Sangiovese. Vino Nobile muss mindestens 70 % Prugnolo Gentile enthalten, oft ergänzt durch Canaiolo, Mammolo oder andere lokale Sorten.
Was du über Vino Nobile wissen solltest
- Rebsorte: Mindestens 70 % Prugnolo Gentile
- Vorgaben: Mindestens 2 Jahre Reifezeit (davon mindestens 12 Monate im Holzfass und 6 Monate in der Flasche), Riserva 3 Jahre
- Freigabe: Frühestens im dritten Jahr nach der Ernte
- Alkoholgehalt: Mindestens 12,5 %
- Stil: Rote Früchte, Veilchen, sanftes Tannin, oft seidiger und zugänglicher als Brunello
- Reifepotenzial: Gute Exemplare reifen 10–15 Jahre
- Preisniveau: Solide Vino Nobile ab 20–25 €, Rosso di Montepulciano deutlich günstiger
Mein Tipp: Rosso statt Nobile?
Oft sind die Rosso di Montepulciano spannender für den Alltag: frisch, saftig, unkompliziert, dabei mit viel regionalem Charme. Ideal für eine Brotzeit mit Pecorino und Salumi.
Winzer, die du ansteuern solltest
- Avignonesi – Biodynamisch, großzügig, aromatisch.
- Boscarelli – Tradition und Handwerk in Perfektion.
- Poliziano – Kraftvoll, modern, dabei tief verwurzelt.
Meine Highlights abseits des Weinglases
Weintrinken allein reicht nicht. Hier meine Lieblingsspots:
- Zypressen bei San Quirico d’Orcia – Frühmorgens oder zum Sonnenuntergang ein absolut magisches Fotomotiv.
- Kapelle Vitaleta – Eine kleine Kirche in perfekter Postkartenkulisse.
- Pienza – Das charmanteste Dorf überhaupt. Pecorino kaufen, auf der Stadtmauer sitzen und einfach glücklich sein.
- Montalcino – Besuch der Rocca mit einem Glas Wein von der Enoteca la Fortezza. Tipp: kleine Brunello-Verkostung auf der Festungsmauer!
- Montepulciano – In den Gassen verlieren, Vinotheken entdecken, die uralte Cantina Contucci besuchen und in den Gewölben Wein verkosten.
Fazit & Ausblick
Montalcino ist die große Oper, Montepulciano der (überlaufene) Jazzclub. Beides hat Stil, Tiefe und Herz. Wer sich Zeit nimmt, entdeckt die Seele der Toskana im Glas. Mir persönlich gefällt Montalcino nochmal mehr, denn hier dreht sich der Tourismus nochmal mehr um Wein und das merkt man auch am Klientel.
Nächster Halt: die toskanische Küste und die rebellischen Supertuscans. Es wird spannend!